Das „Rennen um das Silberne Pferd“ – das älteste Rennen des deutschen Rennsports
Es war der 19.06.1832, als der preußische Kronprinz Friedrich Wilhelm zum Stifter eines Pferderennens wurde: Das „Silberne Pferd“, mithin das älteste Rennen überhaupt des deutschen Rennsports, Jahrzehnte in Hoppegarten ausgetragen, auch auf der längst versunkenen Bahn in Grunewald, viele Jahre dann in Baden-Baden. Und am 7. Oktober 2018, nach einer längeren Pause, wieder dort, wo es eigentlich immer beheimatet war: In Berlin-Hoppegarten, als Gruppe III-Rennen über 3000 Meter, denn eine Prüfung für Steher war es immer gewesen.
Wer vor nun annähernd zweihundert Jahren der erste Sieger des Rennens war, das ist nicht mehr zu ermitteln, doch ist die Stiftungsurkunde erhalten. Sie lautete wie folgt:
Verleihungsurkunde für das Silberne Pferd vom 19. Juni 1832
Wir Friedrich Wilhelm von Gottes Gnaden Kronprinz von Preussen, Markgraf zu Brandenburg, Burggraf zu Nürnberg, Graf zu Hohenzollern etc., stiften, durch gegenwärtige Urkunde, um die Pferderennen zu befördern, einen Preis, um welchen jährlich ein Rennen statt finden soll. Dieser Preis besteht aus einem silbernen Pferde auf silbernem Fussgestell, von Gewicht: Neun Mark und sechs Loth. An dem Fussgestell ist die Inschrift:
Friedrich Wilhelm Kronprinz von Preussen stiftet diese Tafeln zur Aufzeichnung einer hundertjährigen Reihe von Siegen auf der Rennbahn.
Auf den Hauptflächen des Gestelles ist der Raum für die Denktafeln durch Einhundert Abtheilungen bezeichnet. Das Rennen um diesen Preis soll jährlich an den Tagen der Rennen um die Preise des Vereins für Pferde-Zucht und Pferde-Dressur unter nachstehenden Bedingungen statt finden: Pferde auf dem Continent geboren, Rennen auf der freien Bahn. Eine halbe Meile – Einfacher Sieg – Die Gewichte normieren nach einer der Bestimmungen für die Rennen um die Preise des Vereins für Pferde-Zucht und Pferde-Dressur – Ein Geldeinsatz, zwei Drittheile Reugeld. – Der Sieger erhält die Einsätze und auf Ein Jahr die Denktafeln, worauf sein Name und der Name des siegenden Pferdes eingetragen wird. Im nächsten Jahr muss er ein Pferd zur Vertheidigung der Tafeln stellen oder Reugeld zahlen. Über die jährlich, bezüglich auf diesen Preis, zu treffenden Bestimmungen und etwaige Abänderung der vorstehenden, wird das Direktorium des Vereins Uns Anträge überreichen. Der Sieger nach Einhundert Jahren hat, nach Einjährigem Besitz der Tafeln, dieselben samt Ihrem Schmuck an das Direktotium des Vereins für Pferde-Zucht und Pferde-Dressur zu überliefern, welche über ihre Aufstellung bestimmen wird. Zum Beweise alles Vorstehenden ist über diese Stiftung die gegenwärtige Urkunde ausgefertigt und von Uns, dem Kronprinzen von Preussen, eigenhändig unterschrieben, auch, auf Unseren Befehl, mit Unserm anhängenden fürstlichen Insiegel bestärkt worden. So geschehen und gegeben zu Berlin, den neunzehnten Tag des Monats Junius im Jahre des Heyl’s Eintausend achthundert und zwey und dreissig.
Friedrich Wilhelm Kronprinz
„Eine halbe Meile“ betrug also in der Anfangszeit die Distanz, eine echte Herausforderung, denn die deutsche Meile oder Landmeile umfasste bis ins späte 19. Jahrhundert rund 7.500 Meter – die Hälfte dieser Strecke hatten die Pferde also zurückzulegen. In den ersten Jahren gab es nicht einmal ein Preisgeld, sondern nur den Ehrenpreis, der auch noch als Wanderehrenpreis konzipiert war und folgerichtig zurückgegeben werden musste.
Trotzdem erfreute sich das „Silberne Pferd“ ungeheurer Beliebtheit. So wurden 1844, als das Rennen erstmals als Ausgleich ausgeschrieben wurde, kaum vorstellbare 374 Nennungen abgegeben. Die Gewichte begannen damals bei 87 Pfund und endeten bei 150 Pfund.
Anfang des 20. Jahrhunderts wurde das Rennen über 2400 Meter in Hoppegarten gelaufen, zwischen 1918 und 1923 dann auf der neuen Bahn in Grunewald, die später dem Bau des Olympiastadions weichen musste. 1931 endete die ursprüngliche Stiftung des alten Ehrenpreises, der in den Besitz des Union-Klubs überging, Rechtsnachfolger des nicht mehr existenten Vereins für Pferde-Zucht und Pferde-Dressur. Bis 1937 blieb das Rennen, auf Distanzen zwischen 2600 und 2800 Meter, weiter im Programm, allerdings ohne Ehrenpreis.
Ab 1938 wurde das „Silberne Pferd“ in der Dotierung deutlich angehoben und erfreute sich als Handicap gerade bei mittleren und kleineren Ställen großer Beliebtheit. So liefen 1942, als Chef d’Oeuvre unter Erich Boehlke gewann, stolze 21 Pferde um ein Preisgeld von 50.000 Reichsmark. Chef d’Oeuvre, der im Besitz des Heeresgestüts Altefeld stand, war auch 1944, diesmal unter Werner Krbalek der Sieger, es war die vorerst letzte Austragung des Rennens in Hoppegarten.
1977 kam das „Silberne Pferd“ zur Auferstehung. Es wurde als Ausgleich I über 2800 Meter, später 2400 Meter, während des Frühjahrsmeetings in Baden-Baden gelaufen. Comte Lionel trug sich als erster Sieger unter Mario Hofer ein. 2003, als Frühtau unter Adrie de Vries gewann, wurde das Rennen letztmalig unter diesem Namen ausgetragen.
Die voluminösen „Denktafeln“, die es einst als Ehrenpreis übergeben wurden, sind im Dunkel der Zeit verschwunden. Das Rennen um das „Silberne Pferd“ jedoch wird wieder gelaufen, erstmals in seiner langen Geschichte als Gruppe-Rennen. Und wenn auch nicht mehr die „halbe Meile“ aus den Gründerjahren nachgefragt ist, so stellt die jetzige Distanz von 3000 Metern schon eine echte Herausforderung dar.