Gerhard Schöningh, Inhaber der Rennbahn Hoppegarten erinnert sich:
Meine erste Begegnung mit Hein Bollow war an einem 3. Oktober – Tag der Deutschen Einheit in Hoppegarten. Es muss im Jahr 2008 gewesen sein, meinem ersten Jahr als neuem Inhaber. Mir war damals nicht klar, dass Hein Bollow zu den Stammgästen dieses größten Berliner Renntages zählte, er kam auf mich zu, erzählte mir mit leuchtenden Augen von seinen Hoppegartener Wurzeln. Es ist schwierig, das als Gastgeber eines großen Renntags in dem Moment aufzunehmen. Also las ich es später nach – in “Laufen muss der Bagge” von Traute König*. Wie Hein Bollow wurde die Mehrzahl der Jockeys und Trainer bis in die 1980er Jahre durch Hoppegarten geprägt. Als 15jähriger Junge begann Hein Bollow 1936 seine Lehre zum Rennreiter beim Trainer Pan Horalek, einem exzentrisch-strengen Original aus Böhmen. Am gleichen Stall war er Jockey von 1941 bis zu seinem Kriegsdienst 1944. “Hoppegarten wurde meine zweite Heimat. Ich habe noch mit all den guten Jockeys wie Streit, Grabsch, Starosta, Rastenberger, Held, Narr oder Genz geritten. Ich war so ein Nachzügler, zehn Jahre jünger als all die anderen Großen. Aber ich habe ihnen nicht nachgestanden.” so erzählte er Traute König. Nach dem Krieg etablierte er sich in Köln – “Ich hatte mehr Zutrauen zum Westen”. Seine Top-Karriere als Reiter wie auch als Trainer im Westen muss hier nicht wiederholt werden. Und Hoppegarten? Dort ritt er noch einmal 1958 (zwei Siege bei vier Ritten) und kam 1960 zur Beerdigung von Pan Horalek. Dann eine 30jährige Pause bis zum deutsch-deutschen Renntag am 31.3.1990 – die getrennte Rennsportgemeinde aus Ost und West traf sich wieder. Hein Bollow war damals 69. “Außer den alten Bäumen war nichts mehr so, wie wir es in lieber Erinnerung hatten. Der Traum von Hoppegarten war ausgeträumt, wir wussten nun, dass Köln unser endgültiges Zuhause sein würde”. Doch er kam zurück – fast jedes Jahr – zum Tag der Deutschen Einheit, oft auch zum Grossen Preis von Berlin zu Besuch bei seiner Jugendfreundin Brigitte Genz. “Er blieb immer 7 bis 10 Tage. Wir gingen über die beiden Friedhöfe, besuchten jedes Grab der Jockeys und Trainer seiner Jugendzeit. Mit dem Auto fuhren wir die Stätten seiner Jugend ab, besuchten Egon Czaplewski, die Gestüte Graditz und Görlsdorf.”
Wie lernte ich Hein Bollow bei seinen Renntagbesuchen kennen? Er war auch in seinem hohen Alter ein vitaler, offener und inspirierender Mensch – “a people person” nennt man das in England. Ein toller Erzähler mit einem fotographischen Gedächtnis, der seine Geschichten auf die Interessen seiner Zuhörer abstellten konnte. So übergab er mir, angeregt durch unsere Partnerschaft mit White Turf, seine Aufzeichnungen über seine Erlebnisse in St. Moritz. Er war sofort bereit, als einer der “Legenden des Rennsports” auf einer von Klaus Göntzsche moderierten Veranstaltung in der Repräsentanz der Commerzbank am Brandenburger Tor zu sprechen. Hoppegarten wird diesen großen Sympathieträger und Diplomaten des Rennsports vermissen. Hein Bollow, Ruhe in Frieden.
*Lesen Sie hier das Kapitel über Hein Bollow aus “Laufen muss der Bagge – Schicksale und Begegnungen aus dem Galoppsport” von Traute König, erschienen 1996 im Eigenverlag. Es ist eines meiner Rennsport-Lieblingsbücher. Authentisch, unterhaltsam, bewegend. Mit Herzblut für Vollblut pur. Unbedingte Leseempfehlung!